Mittwoch, 30. Juli 2008

Zwischen Papaya und Laeterit

Heute kommt die Biedenkopfer Delegation mit Conny Grube, Claudia Weber, Dekan Gerhard Failing und Gerhard Grabowski in Arusha und dann nach Weiterflug ueber Mwanza abends in Bukoba an. Zusammen mit Distriktpfarrer Leopold Materu werde ich sie dort mit einem Laecheln willkommen heissen. Mit ihrer Ankunft sind fuer mich die ersten vier Wochen in Tansania vorueber.

Ganz ehrlich gesagt, kamen mir diese Wochen wie die vier laengsten Wochen meines Lebens vor. Das Alleinsein war fuer mich eine Reise zu mir selbst. Denn ohne Auto, ohne mobil zu sein, teilweise ohne Strom, ohne Internet, ja sogar ohne Handy musste ich lernen, mit mir selbst auszukommen. Und Gottseidank bin ich bei mir angekommen... Das Drumherum konnte ich bisher durchaus geniessen, denn schliesslich gehoert Afrika zu meinem Leben. Um nur ein paar Stichworte zu nennen: Selten in meinem Leben so viel gelacht, so viele schoene Sonnenauf- und untergaenge erlebt und gleichzeitig immer wieder so tief beruehrt, das Morgengebet, die Gottesdienste, das mehrstimmige Singen, die Schoenheit der Berghoehen Karagwes auf der einen und die unbeschreibliche Armut oder auch der Reichtum auf der anderen Seite.

Um es auf den Punkt zu bringen: Einerseits viel Staub... Der rote Laeterit der Buschstrassen Karagwes zieht in alle Fasern ein, ob man will oder nicht. Das ist die eine Seite. Aber dann versuesst mir eines meiner afrikanischen Lieblingsgerichte das Leben: Papaya mit Milchpulver (richtig zubereitet schmeckt es wie Sahne), mit dem Zauberstab verquirlt, ein Papayadesert, das je nach Art und Reifegrad der Papaya mehr oder weniger nach Karamell schmeckt. Und dann soll Papaya schliesslich alten Maennern auch gut tun... Na also!

Dienstag, 29. Juli 2008

"Mangobaumstrasse" live

Wieder ein Sonntag, wieder ein Hoehepunkt. Am Samstag lud mich der Bischof ein, als Gast an dem Chorfestival des Lukajange-Distrikts teilzunehmen. Morgens sollte ich schon um 8.15 Uhr abgeholt werden. Aber es wurde 8.45 Uhr. Der Fahrer erklaerte die Verspaetung mit einer originellen Erklaerung: “Tut mir leid, aber mein Auto hat sich verspaetet.“ Das passte mir auch auch deswegen, weil kurz vor 8.00 Uhr ein junger Mann vorbei kam und mir Schweinefleisch anbot. So musste ich auf die Schnelle dafuer sorgen, dass das Fleisch verarbeitet wird.

Bei dem Chorfestival traf ich auch andere Gaeste. Wie beispielsweise Andreas aus Deutschland, der letztes Jahr Theologie an der kirchlichen Mabira-Universitaet in Arusha studierte und im Moment einen Studienfreund in Katembe besucht. Andreas hat in dem Jahr Tansania recht gut Kiswahili gelernt und wird ein einwoechiges Praktikum in KARASECO, der Sekundarschule der Karagwe Dioezese, absolvieren. Und dann traf ich ganz ueberraschend amerikanische Gaeste aus Pennselvennia, eine Gruppe von Studenten, die Community Development studieren. Die Gruppe wurde von Eric Hartman geleitet, einem Mennoniten, der im Bereich Entwicklung promivierte und der gute Kontakte zu FADECO hat, einer lokalen Entwicklungsorganisation.

Das Chorfestival selbst sprengt mal wieder alle zeitlichen Dimensionen. Um 10 Uhr begann der Gottesdienst, an dem sieben Choere teilnahmen. Nach dem Fundraisung fuer die neue Kirche gab es Mittagessen. Ab 14 Uhr ging es dann mit einem Konzert der sieben Choere weiter. Aber dabei blieb es nicht. Ein Nachwuchstheologe sprach zum Thema ‚Menschenrechte‘. Und dazu gab es drei Theateranspiele – sozusagen ‚Mangobaumstrasse‘ live.

Dann kam die Stunde des Bischofs, der zum Thema Chorarbeit in der Karagwe Dioezese sprach. Einerseits sind die Choere das Rueckgrat des Gottesdienste. Andererseits besteht eine Tendenz, dass die Chorarbeit sich verselbststaendigt. Abgeschlossen wurde das Festival nicht nur mit der Preisverleihung, sondern durch eine wilde Tanzeinlage. Ich liess es lieber bleiben. Bei meinem Alter. Ausserdem hatte ich den Spruch im Hinterkopf: „Willst Du Mitleid mit einem Deutschen empfinden, dann sieh ihm beim Tanzen zu.“ Wobei sich unsere tansanischen Freunde sehr freuen, wenn man mitmacht. Um 18.30 Uhr kam ich wieder zuhause an, muede, aber gluecklich. Der Tag war lang gewesen, aber gut.

Samstag, 26. Juli 2008

Es brennt...

... fast ueberall in Karagwe. Auch bei mir in der Naehe meines Hauses im Head Office in Lukajange. Es ist schon das zweite Mal. Man hoert das Feuer richtig prasseln. Gottseidank dreht sich der Wind und das Buschfeuer kommt nicht naeher.

Das erste Mal brannte es kurz nach meinem Einzug vor gut drei Wochen. Ich wollte die verbrauchte Luft von einem seit vier Monaten leerstehenden Haus auffrischen und machte alle Fenster auf. Dann ging ich einkaufen, denn in dem leerstehenden Haus hatten die daenischen Vorbewohner selbst die meisten Lampenschirme abmontiert, geschweige denn irgendwelches Geschirr zurueck gelassen. Als ich vom Einkauf zurueckkam, traute ich meinen Augen nicht. Ueberall im Haus, aber am deutlichsten auf dem weissblauen Betttuch waren dunkel-graue Spuren von grauen Russpartikel zu sehen. ... Raecherstaebchen, was willst Du mehr?

Warum zuenden die Menschen in Karagwe das hochstehende Gras an und zerstoeren so die Natur? Einerseits sind es die Viehbauern, die das Gras nicht abmaehen koennen oder wollen, und halt auf diese brutale Art und Weise aufrauemen. Andererseits ist das Zuendeln in Karagwe so etwas wie ein Glueckstest mit der fatalen Logik, dass je laenger und weiter das Feuer geht, desto mehr Glueck werde ich in den naechsten Tagen haben.

Mit Recht regen sich Hans und Regina, die neuen Mitarbeiter im Department Planung und Entwicklung, ueber diese unselige Unsitte auf und machen bei jeder Gelegenheit kund, was sie von den Feuern halten: Gar nichts. Und viele hier zucken mit den Schultern: „Was kann man auch dagegen machen?“

Freitag, 25. Juli 2008

Hurra, endlich wieder wurm- und virenfrei!

Tomas Stæhr Berg, ein Mitarbeiter von DANMISSION in Bukuba und Edina Maganya, die Frau meines Counterparts, haben es geschafft, innerhalb von einem Arbeitstag das ganze Head Office virus- und wurmfrei zu bekommen. Dank der neuen Virussoftware ‚avast!‘ haben wir nun freie Fahrt. Tipp: Diese Software hat offensichtlich einen hohen Wirkungsgrad und steht als Shareware frei zur Verfuegung. In meinem Notebook fanden sich 100 Virus- und Wurmmeldungen, die wir mittels der Software beseitigten.Nur mein verloren gegangenes Adressbuch konnte nicht wiederbelebt werden. Sei es drum!

Asante sana. Herzlichen Glueckwunsch und ein gesegnetes Wochenende!

Donnerstag, 24. Juli 2008

Sisiphus am laufenden Band

Bisher konnte man aus meinen Beitraegen eine gewisse Leichtigkeit des Seins entnehmen. Das aber hat eher mit meiner derzeitigen Einstellung zu tun, das Leben von der leichten Seite zu nehmen. Dabei passieren immer wieder Dinge, die mich an die Sisiphus-Sage erinnern.

Relativ schnell musste ich feststellen, dass es in der hiesigen digitalen Umwelt wie im Dschungel zugeht. Denn bald zeigte das neu mitgebrachte Notebook Wirkung, und es wird von Tag zu Tag schlimmer. New Folder.exe heisst der „Wurm“, der sich im gesamten Netzwerk des Head Office breit und allen das Leben im Buero schwer macht. Dieser gemeine Schaedling gehoert zu Spyware und wurde leider von den Virusprogrammen uebersehen. Am Freitag aber kommt ein Kammerjaeger. Wir sind auf Hilfe von aussen angewiesen, denn vom Internet Runterladen funktioniert nicht mehr. Der gemeine Wurm hat etwas dagegen.

Eine andere Sisiphusgeschichte. Vor drei Tagen kam ich ins Buero zurueck und das Notebook zeigte eine der vielen Fehlermeldungen, die in den letzten Tagen zunehmen wie eine Lawine. Oft warnen diese Fehlermeldungen vor Dateiverlusten. Oft geht es gut, so nach dem Motto „tausend Mal probiert, tausend Mal nichts passiert.“ Aber vorvorvorgestern passierte es: Verursacht unter anderem auch durch einen kurzfristigen Stromausfall verschwand mein komplettes Adressbuch mit 1.000 Adressen im digitalen Nirwana... Dabei hatte ich gerade alle Karagwe Adressen neu eingegeben. Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen... (siehe Psalmen).

Auf ein Neues!

Gute Besserung, Mama Peace!

Das Leben ist nicht immer leicht – besonders hier in Afrika. Dabei geht es nicht nur um die alltaeglichen Dinge des Lebens wie Wasser, Essen, Strom und so weiter. Das ist eigentlich nirgendwo selbstverstaendlich, aber wir in Deutschland nehmen das selbstverstaendlich. ... denn das Wasser kommt ja aus dem Hahn, die Milch vom Supermarkt, der Strom aus der Steckdose. Hier in Karagwe haben nur 10% der Menschen Zugang zu Strom, der uebrigens aus Uganda kommt. Die restlichen 90% muessen ohne leben. Und ich gehoere mit den 10%. Aber auch die 10% haben nicht immer Strom. Manchmal hat es Strom, manchmal nicht. Und das ohne jedwede Ansage.

Manch eine(r) fragt sich: Wie schafft Joerg das nur, Arbeit und Haushalt hinzukriegen alleine, ohne Auto und ohne die gewohnte Infrastruktur? Regina, Hans und ich haben Mama Peace als Hauswirtschafterin halbtags eingestellt. Mama Peace beraet uns beim Einkaufen (denn hier gibt es keine Preisschilder, hier wird gefeilscht), bereitet das Mittagessens zu und macht die Waesche.

Eigentlich gibt es in Karagwe wegen der Hoehe von 1.600 Metern und den damit relativ niedrigen Temperaturen, bzw. dem trockenen Klima wenig Mosquitos. Trotzdem hat es gestern Mama Peace mit Malaria erwischt. Nur gut, dass das Krankenhaus in Nyakahanga gerade mal 7 km entfernt ist. Sie muss Chinin nehmen (und das ist wirklich ein Hammer). Gute Besserung, Mama Peace!

Sonntag, 20. Juli 2008

Syng lovsang hele jorden ...

Die Sonntage gehoeren fuer mich bisher eindeutig zu den Hoehepunkten meines Tansaniaaufenthaltes. So soll es eigentlich ja auch sein fuer einen Christen und Pfarrer, oder? Aber wer kennt nnicht den Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Dass bisher jeder Sonntag zu einem Erlebnis wird, hatte ich so nicht unbedingt erwartet.

In der vergangenen Woche veranstaltete die KAD ein daenisch-tanzanischen Workshop mit dem Thema “Human rights” (Deutsch: Menschenrechte). Ich wurde durch die Jugendpfarrerin Savera Bishangwa eingeladen, an einzelnen Programmpunkten teilzunehmen (Spaeter dazu mehr auf der KAD-Website). Es machte mir Spass, mit den Jugendlichen unterwegs zu sein. Das Kirchentagsfeeling stellte sich bei mir ein. Waehrend der Fahrten im Bus spielte kein CD-Recorder, sondern die Jugendlichen sangen Lieder auf Kiswahili, daenisch und ich traute meinen Ohren nicht, auch Songs von Taize wie beispielsweise ‘Laudate omnes gentes’, und das auf daenisch: “Syng lovsang hele jorden, syng lovsang for vor Gud. “ (Deutsch: Sing und lobe, du ganze Erde, sing und lobe Gott, den Herrn”). Mich erinnerte das Daenisch an den schwedischen Film “Wie im Himmel”. Das muss man sich einmal vorstellen: Ich fahre auf Tansanias Buschstrassen und tanzanische und daenische Jugendliche singen “Syng lovsang…”. So erweitere ich auch meinen daenischen Wortschatz.

Und heute haben wir etwas fuer das Guinessbuch der Rekorde getan. 5 ½ Stunden Gottesdienst mit Empfang, Abendmahl und Versteigerung, aber ohne Taufen, d.h.: noch ausbaufaehig. Wow! Wir konnten es selbst nicht glauben, wie schnell die Zeit verging. “Unity is power” (Deutsch: Einheit ist Energie). So lautete das Motto der Jugendworkshops. "Unity is power", so lautet auch das Jahresthema unserer Partnerschaft 2008. In den Gottesdiensten, den Liedern, der Liturgie etc. erlebe ich Energiestoesse von Einheit, die schon da ist, die uns voraus ist. Bwana asifiye. Amen.

Und plötzlich riecht‘s nach Jasmin

Irgendetwas an Bewegung mussst Du auch in Tansania machen, dachte ich mir. Denn zuhause absolvieren wir 2-3 Mal eine Runde Nordic Walking am Gehnberg, die sogenannte Acht mit Extraschleife. Und ich gehe ich zweimal die Woche ins Fitnessstudio, denn das tut meinen alten Knochen sehr gut.

Vorgestern walkte ich vom Head Office in Lukajange zum Privathaus des Bischofs auf der Straße nach Kayanga. Und plötzlich roch es völlig unerwartet nach frischem Jasmin, und wie mmmmmhhhhhh toll. Wie auf ein Kommando zeigten sich die Jasminbüsche in den Bananenwäldern von Karagwe in vollster Blüte. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte die Büsche eigentlich für Kaffeestraeucher gehalten.

Das Walken in Karagwe erinnert mich auch an Nigeria. Damals, vor fast 20 Jahren, habe ich es leider sehr schnell aufgegeben, morgens zu joggen. Als ich damals in Mubi frühmorgens kurz nach dem Sonnenaufgang in den Busch lief, musste ich bald feststellen, dass überall Kinder hinter mir her liefen und „Bature, bature“ Deutsch: Weisser Mann) riefen. Auch hier rufen die Kinder „mzungu“ (Deutsch: Weisser Mann), aber sie laufen mmir nicht hinter her. Und so bleibe ich am Ball, gruesse zurück: „Hamjambo, watoto“ (Deutsch: Wie geht es euch, Kinder) und walke weiter.

Als Weisser in Afrika, besonders wenn man zu Fuss unterwegs ist wie die meisten Afrikaner, sorgt man halt für Gesprächsstoff. Aber das ist ja in Deutschland - besonders in den Dörfern – umgekehrt auch nicht anders.

Samstag, 19. Juli 2008

Neue Freunde

Das sind Regina und Hans. Der Himmel hat sie mir geschickt. Ich habe mir die acht Wochen in Tansania nur ungefaehr vorstellen können. Ich freue mich auch auf die zweite Haelfte der Zeit in Tansania, wenn die Biedenkopfer Delegation zur Partnerschaftskonsultation und zum Partnerschaftsbesuch in Kituntu Ende Juli anreisen wird.

In der ersten Woche hatte ich ein paar Tage mit Wang zu tun, meinem chinesischen Freund. Und dann kamen Regina und Hans hier an. Ich erwaehnte sie ja schon in frueheren Posts, denn Regina und Hans erinnern mich an Nigeria. Sie selbst waren für ein kirchliches Entwicklungsprojekt von Misereor von 2002-2007 in Contagora, Nigeria tätig. Dort lernten sie auch "Hausa", wie das Kiswahili eine Sprache, die in verschiedenen Laendern gesprochen wird – im Fall von Hausa in Westafrika, im Subsahelguertel. Wir haben uns viel zu erzählen von den abenteuerlichen Erfahrungen in Nigeria. Hans hat sogar ein kleines Buch„Ach, Nigeria!“ geschrieben (Siehe auch den empfehlenswerten Bestseller „Ach, Afrika“ von Bartolomaeus Grill).

Darüber hinaus sind die beiden alte Hasen im Bereich Entwicklungsprojekte in Afrika. Ich bin ja durch das TEE (Fernstudienprogramm) ziemlich in Afrika herum gekommen. Aber die beiden toppen das locker durch ihre Aufenthalte in Namibia, Uganda, Nigeria und Reisen in mehr als 20 afrikanische Laender.

Im Alltag teilen wir immer wieder drei Gemeinsamkeiten (Und das ist gut so!): Das Mittagessen, das Einkaufen auf dem Markt und am Abend lassen wir den Tag ausklingen. Sie sind im Gegensatz zu mir super organisiert (u.a. mit Filmen, die wir uns auf DVD ansehen wie z.B. Blood Diamonds mit Leonardo Di Caprio).

Donnerstag, 17. Juli 2008

Rückfahrt von Bukoba

(Kleine Anmerkung am Rande... Einerseits lerne ich als Neuwebber immer wieder dazu. Danke für den Hinweis, dass manche Fotos zu Beginn des Blogs nicht runtergepixelt wurden. ... habe die Fotos einfach entfernt und schon ist es viel einfacher, den Blog hochzuladen. Andererseits arbeiten und leben wir hier in einer schwierigen Umgebung mit schwacher Infrastruktur. Asante sana, Danke, wenn es Strom und Internet hat. Und Asante sana, herzlichen Dank, wenn die an dem Netzwerk angeschlossenen PCs sauber sind... Das ist nicht immer der Fall... um Bischof Bagonza zu zitieren... Es gibt BLESSINGS und es gibt CHALLENGES.)

Da ich als Gast der KAD selbst nicht fahren darf, bzw. weder Auto noch Fahrer zur Verfügung stehen, reiste ich am Montag mit einem der öffentlichen Busse zurück nach Karagwe. In Uganda werden sie Killerbusse genannt, weil dort das Recht des Stärkeren gilt und die Busfahrer dort ohne Rücksicht auf Verluste das Gaspedal ganz durchtreten. In Tansania geht es Gottseidank friedlicher zu. Trotzdem besteht die Kirchenleitung darauf, dass ich aus Sichterheitsgründen in einem grossen Bus mitfahren soll.

Regina und Hans bringen mich morgens zum Busbahnhof in Bukoba. Gestern schon hatte ich mich erkundigt, wo der Bus abfährt und wieviel die Reise kostet: 5.000 TSh (umgerechnet 2.80 €) für 120 Kilometer und drei Stunden Fahrt mit dem Bus. Wie schon der Bischof sagte: „Travelling to Karagwe is a commitment.“

Ich werde davon überrascht, dass der Bus 15 Minuten vor der angesagten Abfahrtszeit losfährt. Der Grund: Alle 40 Plätze sind vergeben. Bis Kyaka ist die Straße asphaltiert. Sie wurde in 2002-2004 von einer chinesischen Straßenbaufirma gebaut als Verbindung Kampalla-Bukoba. In Kyaka wird der Bus durch eine Waage überprüft, ob er überladen ist. Das ist nicht der Fall. Dann geht es auf die unbefestigte Lateritstraße Richtung Karagwe. Sofort nach dem Wiegen füllt sich der Bus um die doppelte Anzahl von Passagieren. Die zwei Sitze gegenüber teilen sich zwei Frauen und drei Kinder. Und ein Jugendlicher sitzt noch auf der Armlehne.

Während der Fahrt läuft Musik... viel afrikanische Interpreten, aber dann auch zwischendurch Alicia Keys mit „No one“. Und ich denke einen Moment an Janina Sch., deren Lieblingslied das war, klein die Welt ist und dass letztlich alles zusammenhängt, das Sichtbare und das Unsichtbare.

Dienstag, 15. Juli 2008

"Holy wings"

So geht das halt in Afrika. Regina, Hans und ich besuchen am vergangenen Wochenende Anthea and Martin, ein Mitarbeiterehepaar der VEM in Bukoba. Und da die beiden am Sonntag zu einer Konfirmation eingeladen sind, fragen sie uns: „Ihr seid selbstverständlich auch eingeladen. Kommt Ihr mit?“ Dabei haben sie, glaube ich, auch das zweite Auto im Blick, das wir mitbringen.

Die Konfirmandin heißt Frieda und ist die Tochter des Generalsekretärs des Vereinigten Evangelischen Mission (VEM), die Tochter von Pfr. Dr. Fidon Mwombeki, der hier aus der Diözese kommt. Eigentlich wohnt die Familie Mwombeki in Wuppertal, aber macht gerade Heimaturlaub. Und als Dr. Mwombeki seine Tochter fragte, wo sie konfirmiert werden will, sagte sie: „Am liebsten würde ich daheim in Tansania konfirmiert werden.“

Mwombekis Heimatdorf liegt ca. 20 Kilometer im Norden von Bukoba. Unsere Gastgeber hatten eine lange Liste von Mitfahrern, die nach verschiedenen SMS-Nachrichten auf beide Autos verteilt werden. Nach 10 km Asphaltstraße geht es auf einer der berühmt-berüchtigten Lateritstrassen weiter. Laterit hat einen hohen Eisengehalt und ist deswegen so rot. Der Geschmack dieses rötlichen Staubes hinterläßt einen metallischen Geschmack im Mund. Nach 45 Minuten Fahrt kommen wir leicht gerötet, aber gut an.

Und wieder ergreift das Unbegreifliche mich. In der Kirche sitze ich am Fenster. Draußen lärmt ein Benzingenerator, der für Strom sorgt. Und drinnen beginnt der Gottesdienst nach kurzer Stille mit „Gott ist gegenwärtig… alles in ins schweige…“. Dieses integrative Ganze von Lärm und Spiritualität finde ich hier stimmig, und es bewegt mich. Im Gottesdienst wird dann deutlich, dass Pfr. Mwombeki auf seine Tochtersehr stolz ist. Als Konfirmationslied singt seine Tochter ein Lied über die „holy wings“ Jesu.

B wie Bukoba

Am Freitag fuhren Hans, Regina und ich nach Bukoba, der Metropole im Nordwesten Tansanias. Die Stadt liegt am Nordufer des Viktoriasees und zeichnet sich durch feuchttropisches Klima aus. Deswegen wächst und treibt es. Unsere Gastgeber lieben Passionsfrüchte und so genießen wir die Früchte in allen Varianten – selbst als Blüte ein Hingucker.

Und wer weiß schon, dass in Bukoba im Jahresdurchschnitt über 2080 Liter Regen pro Quadratmeter fällt – das Doppelte bis Dreifache an Niederschlag als bei uns in Deutschland. Das feuchttropische Klima bedeutet aber auch, dass es im Vergleich zu dem höher gelegenen und etwas trockeneren Karagwe (1.100 Liter Regen pro Quadratmeter im Jahresdurchschnitt) viele Mosquitos und besonders viele – um die Anzahl genau zu beziffern, Milliarden von... – Seemücken gibt, die in grossen Schwärmen auftreten. Die Seemücken sind zwar ungefährlich, aber wegen ihrer Anzahl äußerst unangenehm. Hitchcock läßt grüßen.

Bukoba liegt am nördlichen Ufer des Viktoriasees und mit diesem grössten Süsswasserreservat der Erde ist ein Drama verbunden, wie eine ARTE-Reportage kürzlich zeigte. Zuerst gab es die an für sich gute Idee, in diesem Riesensee Fische zu züchten, die auf dem Weltmarkt verkauft werden können. Nur hat der Viktoriabarsch mittlerweile das Ökosystem des Sees völlig durcheinander gebracht. Und dem Großteil der Bevölkerung rund um den See bleiben nur die Gräten übrig, denn die Filets werden in Europa verkauft. Und an dem Verkauf verdienen nicht die Menschen hier um den Viktoriasee, sondern andere.

Freitag, 11. Juli 2008

A wie Avocado

„Sie saen nicht, und ernten doch...“ (siehe Bergpredigt). So komme ich mir vor, wenn ich meine ganze Wochenration von Avocados in der Speisekammer anschaue. Wusstet Ihr schon, dass Avocados an Baeumen wachsen und vom Himmel fallen? Ich bin zwar schon etwas in Afrika herum gekommen. Aber ich habe noch nie das Geraeusch wahrgenommen, wenn eine Avocado auf dem Boden landet. Wenn man sich - wie ich in Lukajange - manchmal im Bett befinde und alles so himmlisch ruhig ist - abgesehen von den natuerlichen Aussengeraeuschen Afrikas -, dann beeindruckt einen schon der Schlag, wenn eine Avocado in der unmittelbaren Nachbarschaft gelandet ist.

Was ist eine Avocado? Laut Wikepedia gehoert die Avocado zur Familie der Lorbeergewächse. Der bis zu 15 Meter hohe Baum hat seinen Ursprung in Südmexiko und wurde bereits von den Azteken kultiviert. Heute wird er in über 400 Kultursorten weltweit in den Tropen angebaut.

Das Fruchtfeisch der reifen Avocado ist gelb, weich und von einer fast cremeartigen Konsistenz. Der Fettgehalt ist für Obst ungewöhnlich hoch. Ich liebe Avocados. Und jeden Tag bekomme ich eine Frucht frei Haus. So macht Gartenarbeit Spass!

Donnerstag, 10. Juli 2008

Morgengebet

Das gemeinsame Morgengebet um jeweils 8.00 Uhr waehrend der Woche werde ich spaeter ganz zweifellos einmal vermissen. Jeden Morgen haelt eine(r) der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KAD Head Offices eine Andacht - wie beispielsweise gestern Pfarrerin Savero Bishanga, eine von drei ordinierten Pfarrerinnen (von insgesamt 64 Pfarrern und Pfarrerinnen) . In ihrer Auslegung der Heilungsgeschichte in Matthaeus 15 stellte sie jedem die Frage, fuer was wir heute Jesus loben und danken, was Gott fuer uns getan hat. Ich danke Gott, dass es uns so gut geht. Asante sana Yesu!

Mir gefaellt an dem Morgengebet die einfache Struktur, die teilweise mehrstimmigen Lieder in Kiswahili, die leicht mitzusingen sind. Und dann finde ich das Gute-Morgen-Ritual am Schluss genial. Alle verlassen die Kirche und jede(r) gibt jedem die Hand und dabei stellen sich alle im Halbkreis auf. Was gab es fuer ein Gelaechter, als ich das Foto machte und erst anschliessend dem Rest der Runde die Hand gab!

Das Management Team

Endlich stelle ich einmal das Management Team der Karagwe Dioezese der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania (ELCT) vor. Denn die neue Website ist ganz eng mit diesem Team verknuepft. Von links nach rechts die Namen (und in der Klammer der jeweilige Verantwortungsbereich):

Erasto Kamihanda (Generalsekretaer), dahinter Dr. J. Kashashari (Gesundheit), Rev. Savera Bishanga (Jugendarbeit), dahinter Schwester Regina Ntimba (Frauenarbeit), dann vorne Bischof Dr. Benson Bagonza und ganz hinten Rev. Anicet Maganya (Mission und Evangelisation), davor Kayango Sam (Planung und Entwicklung), und vorne neben dem Bischof Rev. Phares Kakulima (Stellvertretender Bischof), dahinter rechts George Ndibalemu (Finanzen) und ganz rechts: Schwester Editha Sylivester (Diakonie).

In Zusammenarbeit mit ihnen und anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der KAD soll die neue Website entstehen. Einerseits ist das Konzept des Querschnittbereichs „Oeffentlichkeitsarbeit“ noch neu. Und alle haben mehr als genug zu tun mit ihrer Alltagsarbeit. Andererseits sind aber alle begeistert von der Idee einer Website. Nach den ersten Tagen der Bestandsanalyse geht es in dieser Woche um das Gesamtkonzept und den weiteren Fahrplan.

Dienstag, 8. Juli 2008

Typisch Afrika?!


Andere Laender, andere Gerueche. Das Aroma von Kerosin gehoert fuer mich mit zu den typischen Geruechen Afrikas. In Nigeria lief damit unser Kuehlschrank. In den Wohnungen des Head Office der Karagwe Dioezese werden normalerweise Herd und Kuehlschrank mit Strom aus Uganda betrieben.

Da wir aber seit dem Regen am Sonntagnachmittag keinen Strom mehr haben, musste Plan B greifen: Ein Kerosinofen ermoeglicht uns das Kochen, bzw. das Erhitzen von heissem Wasser. Das zeigt: Es geht halt auch anders. Nur ist Kerosin wie Benzin nicht billig: 1 Liter kostet umgerechnet 1,30 Euro.

In der vergangenen Nacht habe ich ziemlich gefroren. Leider habe ich weder einen langen Schlafanzug dabei noch meine warme Bettdecke. Karagwes Hoehenlage mit 1.600 Meter ueber dem Meeresspiegel macht sich im Moment tagsueber durch Temperaturen von 25 Grad Celsius angenehm bemerkbar. Aber nachts, zumal wenn der Wind weht und es im Haus zieht wie Hechtsuppe, kann es empfindlich kalt werden.

Dafuer entschaedigte mich ein wunderschoener Sonnenaufgang und ein Fruehstueck im Sonnenschein auf der Veranda des Hauses (siehe Foto oben links).

Nationalfeiertag der Landwirtschaft

Gestern feierten wir fuer uns ganz ueberraschend den Tag der Landwirtschaft, ein Gegenstueck zum 1. Mai, zum Tag der Arbeit. 50% des Bruttosozial- produkts Tansanias wird durch Landwirtschaft produziert - im Vergleich dazu 1,2% des Brutto- sozialprodukts in Deutschland -, bzw. ueber 80% der Tansanier leben von der Landwirtschaft. Und damit wird ein Grund der unverdienten Armut deutlich. Trotz harter koerperlicher Arbeit kommen die meisten Tansanier mit Kaffee und Bananenund die extrem niedrigen Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt niemals auf einen gruenen Zweig.

Nichtdestotrotz gehoert Ndisi, ein Gericht mit Kochbananen, vergleichbar mit Kartoffelbrei, zu meinen Lieblingsspeisen hier in Tansania.

Der gestrige Nationalfeiertag kam mir durchaus gelegen, denn ich war doch noch ziemlich von den 11 Stunden Unterwegssein mit dem Bischof geplaettet. Am Nachmittag absolvierte ich so eine Einheit "Walking" durch die Bananenwaelder (an Stelle des sonst ueblichen Nordic Walkings am Gehnberg).

Mit dem Bischof unterwegs

Vorbemerkung: Da wir seit dem ueberraschenden Regen am Sonntagnachmittag einen Strom haben, haben sich diese Blogeintraege etwas verzoegert. Macht nichts! "Was nicht heute, das vielleicht morgen".

Zu den Pflichten eines temporaeren Oeffentlichkeitsbauftragter der Karagwe Dioezese gehoert es ab und an auch, den Bischof bei seinem Sonntagsdienst zu begleiten. Und so ging es vorgestern zu einer Filialgemeinde von Ihembe, absolut “ jwd“ (Janz weit draussen, wie die Berliner zu sagen pflegen). Bischof Bagonza sagt: „Travelling to Karagwe is a commitment.“ Ich kann da nur sagen: „Wartet erst mal ab, wenn Ihr hier angekommen seid. Reisen in Karagwe ist ein echtes Abenteuer.“

Fakten, Fakten, Fakten: 85% der Menschen hier leben in ihren Bananenplantagen ohne jedwede aeussere Infrastruktur: Keine Strasse, kein Wasser, kein Strom. Und ein Leben ohne die genannten Dinge ist nicht ganz Ohne, wenn ich nur an die letzten 48 Stunden ohne Strom denke.

Der Bischof predigte ueber die unendliche Gnade Gottes anhand des Gleichnisses der selbstwachsenden Saat in Markus 4. Auch wurden zwei Kinder getauft. In diesem Moment dachte ich daran, dass meine Frau in unserer Kirchengemeinde in Wallau etwa zeitgleich - halt nur 7.000 Kilometer entfernt - drei Kinder taufte. „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie euch, ihr Kleinen, behueten auf allen euren Wegen.“

Sonntag, 6. Juli 2008

"Selig sind..." (Mt. 5, 3-10)

In der vergangenen Nacht konnte ich nicht viel schlafen, weil die Geschichten des gestrigen Samstagabends alte Erinnerungen an unsere Zeit in Nigeria lebendig werden liessen.

Und so lag ich heute am fruehen Morgen im Bett, hoerte die Brandenburgschen Konzerte ueber den mp3-Player und verstand mit einem Mal, warum afrikanische Gottesdienste mich so bewegen. Sie tun das, weil Afrika zu meinem, zu unserem Leben dazu gehoert. Mit anderen Worten: Weil ich, weil wir in den sechs Jahren Nigeria extrem Wunderschoenes und gleichzeitig extrem Brutales erlebt (und ueberlebt) habe(n).

In diesen Tagen feiert die Church of the Brethren (die Kirche, in der wir ueber die Basler Mission in Nigeria arbeiteten) ihr 300-jaehriges Jubilaeum. In 1708 begannen die Brethren um Alexander Mack im nordhessischen Schwarzenau (10 km von Hatzfeld entfernt) an der Eder ihren Weg der Nachfolge. Danke Euch Brethren fuer eure “(Im)possible mission towards peace, justice and dignity”! Danke fuer Eure gelebte Geschwisterlichkeit, Danke fuer das Love-Feast ( Agapemahl mit Fusswaschung)!

Und heute morgen dachte ich an all diejenigen, die waehrend unserer Zeit in Nigeria (nicht etwa an Malaria oder an Aids, sondern) durch Verkehrsunfaelle ums Leben kamen:

Rev. Dr. John Guli (Generalsekretaer), Baba Mai Sule Biu (Kirchenpraesident i.R), Rev. Boas Maina (Generalsekretaer) und unser amerikanischer Freund Ralph Mason.

Ich dachte an sie, und mir kamen die Traenen. Bei der Gelegenheit Dank auch an meinen Seelsorgeprofessor Dr. Gert Hartmann, der uns Vikarinnen und Vikaren vor mehr als 25 Jahren die Geschichte mit den Ambivalenzien des Lebens nahe brachte. „Freude ist Freude, Staehler, und Trauer ist Trauer.“

Und jetzt freue ich mich auf frische Passionsfruechte zum Fruehstueck.

Hurra, jemand versteht Hausa

Dinge gibt es, die gibt es gar nicht. Als ich gestern Regina Sch. und Hans M., die neuen deutschen oekumenischen Mitarbeiter der Karagwe Dioezese, zum gemeinsamen Mittagessen rief, tat ich das in ‚Hausa‘, der Sprache des noerdlichen Westafrikas: „Abinci ya yi“ (Deutsch: Das Essen ist fertig). Und Regina antwortete zu meiner Uberraschung: „Muna zuwa“ (Deutsch: Wir kommen).

Das darf doch nicht wahr sein! In Nigeria hatte ich vor mehr als 15 Jahren Hausa gelernt. Ich habe damals gerne Hausa gesprochen und konnte es zum Schluss recht gut. Wie das ‚Kiswahili‘ in Ostafrika ist das ‚Hausa‘ in Westafrika eine Verkehrssprache, das heisst eine Sprache, die zwar aus Nigeria und dem Niger kommt, die aber den ganzen Subsahelguertel von Nordkamerun ueber Nordnigeria und Nordghana bis hin zum Senegal miteinander verbindet. Und gestern stellte sich heraus: Nicht nur wir waren in Nigeria (1990-1996), sondern auch Regina und Hans (2002-2007).

Seit unserer Rueckkehr aus Nigeria in 1996 habe ich nur einmal (!) Hausa gesprochen, als mein Schwager, Pfleger in einem Krankenhaus in Braunfels, mich anrief, sie haetten eine Patienten aus Nigeria, der kein Deutsch und Englisch verstuende und dem sie aber dringend die Vorsichtsmassnahmen einer Intensivstation erklaeren muesste.

Und gestern sprach ich das zweite Mal Hausa und ich wurde verstanden. Auch sonst wurde der gestrige Samstag zu einem nigerianischen Festtag: Mit Fotos des uebig wachsenden Bouganvillas vor meinem Haus, mit meinem speziellen Papaya-Desertrezept, Hans geroestet-gesalzenen Erdnuessen, Reginas selbstgebackenem Zwiebelbrot und vielen, vielen Geschichten, die wir in Nigeria er- und ueberlebt haben – ich und meine Familie ein paar Jahre frueher, die beiden spaeter. „Sai godiya kwarai da gaske!“ (Deutsch: Gott sei Dank fuer diese einmalige Erfahrung).

Samstag, 5. Juli 2008

Schon Schuhe geputzt?

Als kleine Randnotiz sollte ich der Vollstaendigkeit bemerken, dass ich mittlerweile in dem Haus im Head Office in Lukajange eingezogen bin, das die Karagwe Dioezese fuer mich vorgesehen hat. Aber dazu spaeter mehr.

Jetzt nur soviel. Heute habe ich meine zwei Paar schwarzen Schuhe und ein Paar Sandalen geputzt (Jetzt denken, die die mich kennen: Das macht er nur, weil er der "Oeffentlichkeitsreferent des Bischofs" ist). Aber nein! Es war wirklich hoechste Eisenbahn!

Jetzt bin ich schon das vierte Mal hier in Karagwe, und jetzt erst setzt sich die Erkenntnis auch bei mir durch, das naechste Mal vielleicht braune Schuhe mit zu nehmen. Denn schon nach wenigen Tagen ohne Regen staubt es hier wie im schoensten Harmattan, einem Wuestenwind, in Nigeria. Nur das der Staub nicht weiss ist, wie beim Harmattan, sondern roetlich braun.

Und da es schon seit mehreren Monaten nicht mehr geregnet hat, staubt es gewaltig. Bei dem roetlichen Staub sehen braune Schuhe halt etwas laenger gepflegt aus, wahrend man bei dem vornehm amtlich-schwarz gehaltenen Schuhwerk schon nach wenigen Schritten die Spuren der Natur erkennt.

Offroad again...

Gestern fand hier im Head Office das monatliche Treffen der Distriktpfarrer (in unserer Terminologie: der Dekane) statt. Beim Management Meeting am vergangenen Dienstag sagte man mir, dass das besagte Treffen am Freitag erst gegen gegen Mittag beginnen werde, denn einige Pfarrer haetten einen laengeren Weg hinter sich zu bringen. Gestern wurde es mittag und nur zwei von acht Distriktpfarrern waren bis dahin angekommen. Die anderen waren, so sagte man mir, noch unterwegs. Darunter auch mein Counterpart, Pfr. Anicet (siehe Foto).

In Deutschland gaebe das eine Abmahnung. Aber andere Laender, andere Spielregeln. Hier wurde die Zeit mit Erzaehlen und Humor ueberbrueckt. Um 15.30 Uhr konnte dann das Treffen beginnen. Einige der Pfarrer hatten eine halbe Tagesreise auf dem Motorrad hinter sich. Man stelle sich das einmal vor: Ueber 90 Kilometer auf schlechten Feldwegen mit dem Motorrad fahren, ueber Stock und Stein, sozusagen 90 Kilometer off-road. Einer der aelteren Distriktpfarrer, der naechstes Jahr mit 65 in Pension geht, sagte mit einem Laecheln: „Das haelt mich jung! Aber ich habe dem Bischof gesagt, dass ich erst morgen wieder nach Hause fahren werde.“

Die meisten der acht Distrikte der Karagwe Dioezese verfuegen zwar ueber ein Auto. Aber das Benzin ist bei der schlechten oekonomischen Situation nicht zu bezahlen. 2.200 TSh sind umgerechnet 1,50 Euro. So viel kostet ja auch das Benzin in Deutschland. Nur faellt halt das Gehaltsniveau in Tansania bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von nur 230 Euro erheblich geringer aus als die 26.400 Euro Jahreseinkommen in Deutschland.

Was will uns das nur sagen?

Donnerstag, 3. Juli 2008

Hier geht die Post ab

Vor fuenf Jahren schickten wir von diesem Postbuero in Kayanga aus Postkarten nach Deutschland, kleine Gruesse von „Tanjerumani“, der deutsch-tansanischen Jugendbegegnung, an der auch aus unserem Dekanat Biedenkopf sechs Jugendliche teilnahmen, wie beispielsweise Nicole W. und Almut Sch. aus unserer Kirchengemeinde oder Franziska B. aus Biedenkopf. Die Postkarten brauchten damals mehr als vier Wochen, soweit sie ueberhaupt ankamen.

Damals wollten die Jugendlichen auch nach Hause telefonieren. Handy und der Moeglichkeit der SMS-Nachrichten fing damals erst in Tansania an (Heute hat jede/r hier ein Handy). Bei der Vorbereitung hatte ich die Jugendlichen darauf hingewiesen, dass es wegen der schlechten Infrastruktur in Afrika hiesse: „No news are good news“. Mit anderen Worten: Hoert man nichts, ist auch nichts Schlimmes passiert, dann ist alles in Ordnung.

Und heute?

Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen in den 90ern in Nigeria (Westafrika), vor dem Hintergrund der grossen Schwierigkeiten, damals mit dem "Rest der Welt" zu kommunizieren, grenzt es fuer mich heute fast an ein Wunder, dass mittlerweile der ganze Globus durch das Internet vernetzt ist, dass ich ein Online-Tagebuch schreiben kann, und dass sogar Skype, das Onlinetelefon, funktioniert, wenn auch die Qualitaet bei einer Uebertragungsgeschwindigkeit von 100 MBps und vielen Nutzern, die hier an einer Leitung, etwas zu wuenschen uebrig laesst.

Ergo: Die Kommunikation hat sich rasant veraendert, und wird sich weiter veraendern... Das ist zweifellos eine gute Seite der Globalisierung.

Mittwoch, 2. Juli 2008

FINCA und mein Freund Cheng

FINCA ist kein Haeuschen in Spanien, sondern eine weltweit agierende Mikrofinanz- organisation, von der Idee her vergleichbar mit der frueheren Raiffeisenbank. Nur vergibt FINCA Kleinkredite an Gruppen von ca. 20 Leuten mit entsprechenden Auflagen und Zinsen. Das faengt hier in Tansania mit 50.000 TSh (ca. 30 Euro) an, und wenn eine Gruppe zeigt, dass sie mit Geld umgehen kann, geht das bis zu 2.5 Millionen TSh Kredit (1.200 Euro). Im Karagwe-Distrikt (ca. 450.000 Menschen) gibt es 30 FINCA-Gruppen mit insgesamt 600 Teilnehmern.

Kennengelernt habe ich FINCA durch Cheng (siehe Foto), der vorgestern hier in Kayanga ankam. Cheng ist 30 Jahre alt, in China geboren, studiert im Moment in New York. Sein Vater, ein Hochschuldozent, emigrierte in 1999 in die USA. Cheng hat frueher schon zwei Jahre in Tansania suedlich von Daressalam gelebt, kann Kiswahili und sagt: „Ich liebe Afrika.“ Verheiratet ist er seit einem Jahr mit einer Taiwanesin. Die beiden lernten sich vor zwei Jahren waehrend eines Ferienjobs im Yellowstone Nationalpark in den USA kennen.

Chengs hiesige Aufgabe ist es, im Rahmen der regelmaessig stattfindenden Evaluation die FINCA-Klienten mit Hilfe eines Fragenkatalogs zu interviewen. FINCA unterstuetzt Cheng dafuer mit einem Stipendium fuer sein Studium. Und Cheng unterstuetzt FINCA , indem er auf Lohn und Gehalt fuer die Evaluationsarbeit verzichtet.

Als ich einmal im Gespraech meinte, dass der Tansanische Shilling (TSh) in den vergangenen Jahren so viel an Wert verloren haette (In 2006 bekam man fuer einen Euro 800 TSh und heute bekommt man 1.700 TSh), sagte er: „Ja, das stimmt zum Euro, aber nicht zum Dollar. Vor drei Jahren habe man fuer einen US Dollar 1.100 Tsh bekommen und heute 1.200 TSh. Was sich aber in den letzten drei Jahren drastisch geaendert habe, seien die Lebensmittel- und Energiepreise. Die haetten sich in dieser kurzen Zeit verdoppelt.“

Kein Wunder, dass nach Chengs Aussagen die meisten tansanischen Klienten bei der Frage „Sind Sie gluecklich mit ihrem Leben?“ auf eine Werteskala von 0-10 meistens nur 1 oder 2 angeben.

Dienstag, 1. Juli 2008

Ein sportlicher Pfarrer

Auf dem Gelaende des Karagwe-Hotels gibt es auch ein Volleyballfeld. Dort spielt fast jeden Tag irgend jemand. Auch Pastor Anicet, mag Sport und ist Mitgllied eines Volleyballteams in Kayanga. In seinem Team spielen nicht nur Mitglieder der Kirchengemeinde mit, sondern auch andere.

Am vergangenen Sonntagnachmittag ging es hoch her, morgens Gottesdienst, nachmittags Volleyball. Ein Spiel der Teams aus Kayanga und Kituntu zog Hunderte von Zuschauern an. Es ging zu wie bei uns auf dem Sportplatz bei einem Fussballspiel, nur doppelt so lebendig – Emotionen pur. Zuerst verlor des Pfarrers Mannschaft staendig. Die Fans der anderen Mannschaft machten sich ueber ihn lustig: „Seht den Pfarrer, der muss noch ueben und sein Team auch!“ Dann musste ich leider weg, weil ich Besuch bekam. Aber ich hoerte auch von Weitem, dass es hoch her ging. Am naechsten Tag erzaehlte Pfr. Anicet, dass kurz vor Schluss ein Geschaeftsmann eine Praemie von 80.000 Tansanische Shilling fuer den Gewinner des naechsten Spiels angeboten hatte. Und das letzte Spiel gewann die Heimmannschaft des Pfarrers. Wer zuletzt lacht, lacht am besten.

Uebrigens ist der FC Barcelona in Afrika sehr beliebt. Kein Wunder, dass die Spanier dann sonntagabends das Endspiel um die Euro 2008 in Wien gewannnen.